Empfehlung zur Empfindlichkeitsprüfung

Der Grad der Empfindlichkeit eines Bakteriums gegenüber antimikrobiellen Wirkstoffen kann mittels verschiedener Verfahren bestimmt werden. Um die Reproduzierbarkeit von Empfindlichkeitstests sowie eine Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Laboratorien sicherzustellen, müssen bei allen Verfahren standardisierte Methoden zur Anwendung kommen. Dies bedeutet, dass sowohl die Durchführung des Verfahrens als auch die Beurteilung der ermittelten Werte nach der gleichen Norm erfolgen müssen.

Methode der Wahl in der veterinärmedizinischen Labordiagnostik ist das Bouillon-Mikrodilutionsverfahren (Schwarz et al., 2003). Bei diesem Verfahren wird mittels quantitativer Werte der Grad der Empfindlichkeit oder Resistenz eines Bakteriums bestimmt. Ergebnisse werden in der Regel als minimale Hemmkonzentration (MHK-Werte) ermittelt und zunächst unbewertet in mg/L (oder µg/mL) angegeben. Soll aufgrund der ermittelten MHK-Werte eine Therapieentscheidung getroffen werden, erfolgt anschließend in einem zweiten Schritt eine qualitative Beurteilung anhand klinischer Grenzwerte als „sensibel“, „intermediär“ oder „resistent“.

In Ermangelung einer europäischen Norm von veterinärspezifischen Methoden wurden die Dokumente des US-amerikanischen Clinical and Laboratory Standards Institute (CLSI; VET01 5th Ed., VET01-S 5th Ed., VET06 1st Ed.) herangezogen und als Standards zur MHK-Bestimmung etabliert. Das BVL führt seit 2000 Resistenzbestimmungen auf der Grundlage dieser Methodik entsprechend des CLSI durch. Zudem gibt es vom CLSI Dokumente zur Testung von Bakterien von aquatischen Organismen (VET03 2nd Ed, VET03 Supplement (VET04) 3rd Ed.).

Beim derzeit noch eingesetzten Agardiffusionsverfahren („Plättchentest“) werden qualitative Ergebnisse aufgrund der Hemmhofgröße abgeleitet. Dieses Verfahren sollte nur noch unter bestimmten Bedingungen verwendet werden, da es schlechter standardisierbar ist als Methoden zur Bestimmung von MHK-Werten und außerdem kaum neue tierspezifische klinische Grenzwerte für dieses Testverfahren erarbeitet werden. Beispiele für den Einsatz des Agardiffusionstests sind (i) einige wenige Fälle, bei denen Beurteilungskriterien nur für die Agardiffusion, nicht aber für Bouillondilutionsverfahren, zur Verfügung stehen (zum Beispiel Bestimmung der Streptomycin-Empfindlichkeit bei Enterobacteriaceae) oder (ii) Ergänzungsuntersuchungen für das Screening und die Bestätigung von Extended-Spektrum-Betalaktamase-produzierenden Enterobacteriaceae sowie die Bestimmung der Methicillin/Oxacillin-Resistenz über den „Cefoxitin-Disk-Test“. Unter der Annahme, dass bei Einsatz des Agardiffusionsverfahrens nur die Ergebnisse der qualitativen Beurteilung publiziert werden, ist dieses Verfahren zudem für ein frühzeitiges Erkennen von Änderungen des Empfindlichkeitsverhaltens von Bakterienpopulationen nicht geeignet. Eine Übersicht zu verfügbaren Methoden der Empfindlichkeitsprüfung inklusive der Vor- und Nachteile wurde vom Arbeitskreis „Antibiotikaresistenz“ veröffentlicht (Schwarz et al., 2003).

Der ebenfalls zur Empfindlichkeitsprüfung verwendete E-Test ist kostenintensiv und kann gegebenenfalls als “Reservemethode” Berücksichtigung finden. Außerdem sind für viele in der Veterinärmedizin eingesetzte Wirkstoffe keine E-Test-Streifen kommerziell erhältlich, so dass mit dieser Methode eine umfassende Testung dieser Wirkstoffe derzeit nicht möglich ist.

Erarbeitung neuer Methoden für die Empfindlichkeitsbestimmung

Prinzipiell sollte möglichst für jeden veterinärmedizinisch relevanten Erreger eine standardisierte Methode zur Empfindlichkeitsprüfung verfügbar sein, die in einer anerkannten internationalen Norm beschrieben ist. Dies ist für einige tierpathogene Erreger derzeit nicht der Fall, so dass eine Vergleichbarkeit und objektive Interpretation der Untersuchungsergebnisse in diesen Fällen nicht sichergestellt werden kann. Der DVG-Arbeitskreis Antibiotikaresistenz führte daher im Zeitraum von 2012 bis 2016 ein aus Bundesmitteln im Rahmen der DART gefördertes Projekt zur Erarbeitung neuer oder verbesserter Methoden zur Bestimmung der Empfindlichkeit von Bordetella bronchiseptica, Haemophilus parasuis, Rhodococcus equi, Trueperella pyogenes, Arcobacter sp., Riemerella anatipestifer und Ornithobacterium rhinotracheale durch. Im Rahmen dieser Projekte sollen Protokolle erarbeitet werden, die eine Standardisierung der Empfindlichkeitsprüfung dieser Erreger aus der Nutztierhaltung ermöglichen. Die Etablierung neuer Bouillon-Mikrodilutionsmethoden ist aufwändig und umfasst eine Vielzahl von Vorarbeiten, unter anderem die Bestimmung des optimalen Wachstumsmediums, der bestmöglichen Inkubationsdauer und Inkubationsatmosphäre, der einzusetzenden Bakterienmenge sowie der anzuwendenden Qualitätskontrollstämme. Darüber hinaus werden aktuelle und möglichst epidemiologisch unverwandte Feldisolate der jeweiligen Erreger mit den erarbeiteten Methoden gegenüber einem Set von klinisch relevanten Antibiotika getestet und die Methoden zusätzlich in Laborvergleichsuntersuchungen auf ihre Tauglichkeit für die Routinediagnostik überprüft. Seit dem Jahr 2012 konnten in den drei Dissertationsprojekten Verfahren entwickelt werden, die zum Teil schon vom VAST-CLSI anerkannt (Riesenberg et al., 2013) und in internationalen Fachzeitschriften publiziert wurden (Riesenberg et al., 2013; Riesenberg et al., 2014; Prüller et al., 2015).

Derzeit werden im Rahmen eines von dem Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) geförderten Projektes Testmethoden zu Bordetella avium, Avibacterium gallinarum, Avibacterium paragallinarum, Mycoplasma („Mycoplasmoides“) gallisepticum, Mycoplasma („Mycoplasmopsis“) bovis, Mycoplasma („Mesoycoplasma“) hyorhinis, und Mycoplasma („Mesoycoplasma“)hyopneumoniae erarbeitet, um künftig eine Empfindlichkeitsprüfung dieser in der Tiermedizin relevanten Erreger zu ermöglichen.